Die Perfektionismusbremse

Ich liebe die deutsche Sprache, schon allein deswegen, weil man damit so wunderbare Wortschöpfungen wie „Perfektionismusbremse“ schaffen kann. Das Wort selber bedeutet aber gar nichts Wunderbares. Wer sich schon mal von seinem eigenen Perfektionismus ausbremsen hat lassen, weiß, wovon ich spreche.

Perfektionismus behindert den Fortschritt.

Warum ist das so? Weil man nie wissen kann, wann etwas tatsächlich perfekt ist. Man kann unendlich viel Zeit in die Verbesserung von etwas stecken, was an sich schon gut ist. Und es dadurch natürlich verbessern, aber wie der Begriff unendlich schon besagt: Man wird eigentlich nie fertig damit. Was jetzt ziemlich hinderlich ist, wenn man Ergebnisse liefern will. Auch kreative Werke wollen irgendwann fertig werden. Aber hier ist es erst recht schwierig zu beurteilen, wie gut ein solches Werk ist, und wie viel noch getan werden könnte, damit es perfekt ist. Wie soll man da jemals zum Ende finden, wenn man den Anspruch hat, dass es perfekt sein muss?

Ein Hang zum Perfektionismus lebt in vielen von uns.

Auch in mir.

Ein weiterer Grund, der mich davon abgehalten hat, einfach mal drauf loszubloggen. Denn ich gebe es zu, das hier ist nicht mein erster Blog. Der erste ist am Perfektionismus gescheitert. Damit mir das nicht mit dem zweiten auch passiert, versuche ich mich vom Perfektionismus zu emanzipieren. Das ist nicht immer ganz so einfach, aber ich lerne ja noch dazu.

Was mir sehr dabei hilft, ist die Erkenntnis, dass Perfektionismus völlig sinnlos ist, wenn man gar nicht objektiv beurteilen kann, wann etwas perfekt ist. Auf künstlerische Werke trifft das wie gesagt zu. Natürlich ist es nicht völlig sinnlos, gar keinen Qualitätsanspruch zu haben. Die Kunst ist, ein gesundes Gefühl dafür zu entwickeln, wann etwas einfach mal gut genug ist.

Gut genug ist besser als perfekt.

Gut genug erreicht man wesentlich schneller. Es lässt sich zumindest nach individuellen Maßstäben ganz gut beurteilen. Und man kann es im Laufe der Zeit anpassen. Ich kann besser werden, in dem was ich tue, und meinen Anspruch für „gut genug“ anheben. Ohne mir der Druck zu machen, dass es ein vermutlich nicht erreichbares „perfekt“ sein muss.

Wer ewig an etwas herumfeilt, um es perfekt zu machen, lernt irgendwann nichts Neues mehr. Denn um Neues zu lernen, muss man Neues tun. Und ich lerne gerne neues und entwickle mich dadurch weiter.

Für das Schreiben bedeutet das: Ich muss einfach schreiben und es gut genug sein lassen, um vorwärtszukommen, um mehr zu schreiben. Um meinen Schreibstil weiterzuentwickeln, um zu üben.

Heißt das, dass ich nicht mehr Korrektur lese? Keine Sätze nachträglich verändere, umstelle, ganze Absätze streiche und neu schreibe? Nein, sicher nicht. Ich will ja, dass es gut genug ist. Aber ich setze dem Ganzen ein Ende, wenn es meinen Ansprüchen genügt.

Und mein Anspruch ist nicht mehr, perfekt sein zu wollen.

2 Anmerkung zu “Die Perfektionismusbremse

  1. Tikker

    Es ist auch die Sprache, die herrliche Begriffe wie „Impfblütenglobulisten“ zulässt (den übrigens unlängst Sascha Lobo geprägt hat). Die Großmeister im Umgang mit dieser Sprache sind heute leider fast in Vergessenheit geraten. Kästner, Rilke, Busch, Roth, Kraus, Morgenstern und Co. Ab und zu scheint noch ein vereinzeltes Sternchen am Sprachhimmel auf, wie seinerzeit „Zentrifugal“. Aber es ist definitiv Zeit, dass mal wieder jemand die Möglichkeiten dieser schönen Sprache ausreizt.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert